Zeitgeist – ich glaub‘ nur, was ich seh‘!

„Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln,“ lässt Goethe seinen Faust erklären.

Angeregt vom Meister der deutschen Klassik hat der Chor provocale sich auf die Spuren des Zeitgeistes im politischen Liedgut, in Schlagern und „Gassenhauern“ begeben, den herrschenden Stimmungen und Strömungen der Epochen nachgespürt.

Unter der musikalischen Leitung von Martje Grandis präsentiert er Lieder vom Auf und Ab des Lebens, von dessen Sinn und Widersinn, von Sein und schönem Schein.

Kaufen, gekauft und verkauft werden, hinfallen und wieder aufstehen, gewinnen und verlieren. „Don’t worry, be happy!“, denn es wird schon irgendwie weitergehn! Bei näherem Hinsehen erweist sich manches als Schall und Rauch, vieles entpuppt sich als oberflächlich und höchst zerbrechlich, vielleicht ist der Zug sogar schon abgefahren?

Was bleibt da, wenn die Dummheit regiert und im Fernsehen die tägliche Wahnsinnsshow läuft? Party und Tequila? Gas geben und Spaß haben? Oder mit den Worten Orlando Gibbons‘ (1583 – 1625) ernüchtert feststellen: „More geese than swans now live, more fools than wise.“

Nur wer im Wohlstand lebt …

Sekt oder Selters? Egal, Hauptsache Party und bitte mit Sahne!

provocale lässt die Feiergesellschaft auf-, aber nicht hochleben. Money, Money und tanzsüchtige Vergnügung, Abba und Latin-Rhythmen bieten dauerhaft Keine Heimat. Grönemeyer und die Prinzen, Fettes Brot, die Toten Hosen und nicht zuletzt Brecht setzen da andere Akzente: Vieles entpuppt sich doch als höchst zerbrechlich, Fragile, wie Sting feststellt.

provocale bleibt sich also treu und lässt sich auch in seinem neuem Konzertprogramm in kein musikalisches Schema pressen. Dazu hat der Chor an passender Stelle das eine oder andere ältere Stück aus seinem Repertoire hervor gekramt, Chorleiterin Martje Grandis hat alte und neue Lieder für dieses Konzert bearbeitet und »mit Pfiff« neu arrangiert; Michael Wilke hat mit dem gewohnten kräftigen Schuss Ironie inszeniert und am Klavier begleitet Hartmut Schmidt.

Ansichten eines Barhockers

Der schönste Platz ist nicht immer an der Theke. Wenn die Reisegruppe aus Ostwestfalen in der Hotelbar auf das Managerseminar eines Großkonzerns trifft, prallen Welten aufeinander. Feinster Zwirn und Krachledernes: Ein echter Barhocker muss einiges aushalten. Trost schaffen da allenfalls Träume vom goldenen Sand der Copacabana oder vom Herzilein daheim. In der Nachtbar kommt der Nachbar eventuell so zur Sache, dass Baby zittert, doch dann löscht sie schnell das Licht…
Ob Samba oder Tango, provocale schafft in seinem kleinen Nachtprogramm Atmosphäre, musikalisch versiert vom Jazz bis zur – ja, bis zur Volksmusik und wie immer bühnengerecht inszeniert.

Der Kasseler Chor singt unter der Leitung von Anke Schmidt.
Co-Dirigat und Klavier: Martje Grandis. Regie: Michael Wilke.

Die Uraufführung war am 17. November 2006 in der Kulturfabrik Salzmann, Kassel.

Keiner liebt dich (so) wie so ich

Es ist schon ein Jammer mit der Liebe. Sie könnte so schön sein, wenn Männer und Frauen ein bisschen besser zueinander passen würden. Aber so …?
provocale hat sich unerschrocken dieses vermutlich bedeutendsten Themas der Menschheitsgeschichte angenommen und es mit den anrührendsten, bissigsten, gefühlvollsten und frechsten Liedern aus Pop, Swing, Klassik und Volkslied auf die Bühne gebracht.

Seit 1979 weicht der Chor keinem der brennenden Probleme unserer Gesellschaft aus, wobei sich insbesondere seine letzten überaus erfolgreichen Konzerte „Alles geklaut!“ und „(B)recht so, Eisler!“ (mit Sabine Wackernagel) durch pfiffige Inszenierungen immer mit einem Fuß in der Tür zum Kabarett auszeichneten.

Unter der bewährten musikalischen Leitung von Michael Wilke, Barbara Rosenboom und Jens Oppermann (Klavier). Regie: Michael Wilke.

Die Uraufführung war am 14. März 2003 im Hotel Reiss, Kassel.

(B)recht so, Eisler! – Ein Konzert für zwei Hundertjährige

provocale und Sabine Wackernagel

Zwei Große feiern Geburtstag: Der Dichter und sein Komponist – der Komponist und sein Texter werden 100. Für provocale und Sabine Wackernagel mitnichten ein Anlaß für pathetisch-verklärende Huldigungen. Zwei aufmüpfige politisch inspirierte Jubilare werden auf die Bühne gebracht, wie sie es verdienen: frech und mit der gehörigen Portion Ironie, die der Chor und die Kasseler Schauspielerin in ihren Inszenierungen oft genug unter Beweis gestellt haben.

Bert Brecht hat seinen Platz im Deutschunterricht längst gefunden, und von den Spielplänen der Theater ist er nicht mehr zu verdrängen. Welche Widersprüche provoziert er heute? – Sabine Wackernagel in der Rolle der Theaterkommunistin.

Hanns Eisler, Schüler von Arnold Schönberg und unter anderem Schöpfer großartiger Musiken zu diversen Hollywoodfilmen, ist im Ausland immer noch weitaus bekannter als hier. provocale singt die eindringlichsten seiner über 600 Liedkompositionen.

Die Uraufführung war am 31. Oktober 1998 in der Kulturfabrik Salzmann, Kassel.

Alles geklaut

Alles geklaut – die Taschen leer!? Egal, ein bißchen Spaß muß sein, und provocale bringt ihn auf die Bühne. Alles geklaut – Stütze und Wohngeld gestrichen!? provocale fragt nach, wohin sie gegangen sind. Und provocale bedient sich hemmungslos ganz unterschiedlichster musikalischer Stilrichtungen: Vom swingenden Jazz zum deutschen Schlager, vom provocale Markenzeichen, dem alten und neuen politischen Lied, zur italienischen Oper. Da lugen die Comedian Harmonists ebenso um die Ecke wie Brecht und Eisler sowie einige Prinzen aus dem Traumland.

Also alles geklaut? Mitnichten. Wer provocale kennt, weiß, dass dieser Chor mit seinen 40 Sängerinnen und Sängern längst seinen eigenen Stil entwickelt hat mit bunter Bühnenpräsenz, fein abgestimmter Choreografie und „oft einen Fuß in der Tür zum Kabarett“, wie die HNA treffend feststellte. Dazu kommt der Kasseler Chor mit dem ukrainischen Duo „Retro“ (Ludmilla Stanislawskaja, Klavier und Semon Roubinson, Violine) mit einer herrlich swingenden neuen Instrumentalbegleitung.

Die Uraufführung war am 30. April 1997 im Kulturzentrum „Brotfabrik“, Göttingen.